Silvia Böhler
Die Schlagzeilen von jugendlichen Straftätern haben sich in den vergangenen Tagen und Monaten wieder gehäuft. In Paris wurde eine 13-Jährige ins Koma geprügelt und ein paar Tage später ein 15-Jähriger zu Tode. In Wien wurde ein zwölfjähriges Mädchen über mehrere Monate hinweg von 17 Jugendlichen – alle unter 18 Jahre alt, sexuell missbraucht. In Vorarlberg sind solch brutale Taten noch nicht bekannt – zumindest nicht unter Jugendlichen. Doch die kürzlich vorgestellte Anzeigenstatistik zeigt eine Entwicklung, die der Polizei auch hierzulande zunehmend Sorge bereitet. Die Gewalt nimmt zu, häufig sind bei Auseinandersetzungen Messer im Spiel, es gab deutlich mehr Anzeigen wegen Vergewaltigung und auch die Gewalt unter Jugendlichen steigt. Raubdelikte können fast ausschließlich den 14- bis 18-Jährigen zugeschrieben werden. Laut Polizei eine besorgniserregende Entwicklung, der die Behörde mit einer speziellen Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität entgegentreten will.
Ob der jüngsten Vorfälle wurde auch über die Herabsetzung des Strafmündigkeitalters diskutiert. Die Jugendlichen müssten Konsequenzen spüren, so der Tenor. Doch eine Bestrafung kann nicht die alleinige Lösung sein, findet Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer. „Die Justiz kann Kinder nicht erziehen“, sagte er gegenüber den VN.
Kein Kind kommt kriminell oder gewalttätig auf die Welt. Was sind also die Gründe dafür? Die Pubertät mag eine Rolle spielen, Jugendliche wollen sich ausprobieren, Grenzen erfahren. Ob sie zu Gewalt neigen, hängt laut Experten aber ganz entscheidend vom Elternhaus ab. Armut, Ungleichheit oder Diskrepanz in der Bildung können dazu führen, dass sich junge Menschen von der Gesellschaft abgehängt fühlen und eher straffällig werden. Ebenso lernen Kinder durch Nachahmung und sind ein Spiegelbild der Erwachsenen. Und hier gilt es, uns selbst an die Nase zu fassen. Wie häufig passieren Rüpeleien im Straßenverkehr, oder gegenüber Andersdenkenden? Wie häufig entstehen Schlägereien aus nichtigen Gründen und wie häufig schlagen überforderte Eltern ihre Kinder? All das kann dazu führen, dass Kinder Gewalt als Mittel der Kommunikation verstehen, sagt der Kriminologe Klaus Boers. Bei den Eltern und in der Schule lerne ein junger Mensch soziale Normen – also, was erlaubt ist und was nicht.
Jugendliche sind demnach nicht nur Täter, sondern häufig auch Opfer. Das entschuldigt keine Straftaten, aber es erklärt vielleicht auch, warum Anfang dieser Woche die Bundesregierung ihre erste Kinderschutz-Kampagne „Nein zu Gewalt“ präsentiere. Es fehlt den Kindern und Jugendlichen offensichtlich an geeigneten Vorbildern und es braucht nun gemeinsame Anstrengungen von Eltern, Schulen und Behörden, um die Gewaltentwicklung frühzeitig zu stoppen. Denn niemand wünscht sich Vorfälle wie in
Paris.
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