
Silvia Böhler
Schulreform? Lieber nicht.
Die Zeit der Schularbeiten und Tests ist vorbei. Für viele Schüler ist morgen der letzte Schultag und mit dem Zeugnis geht es ab in die lang ersehnten und verdienten Sommerferien. Für manche bedeutet der morgige Tag auch ein Abschied von der Schule, von Freunden, den Lehrern und der gewohnten Umgebung – und es stellen sich die Weichen für die Zukunft.
Die Statistik Austria hat kürzlich in ihrem Bericht „Bildung auf einen Blick“ gezeigt, dass die Bildungskarrieren unserer Kinder sehr früh – nämlich schon in der Volksschule – festgelegt werden. Wer in eine AHS-Unterstufe wechselt geht zu 91,8 Prozent in Richtung Matura und damit einer erfolgreichen Bildungs- und Job-Karriere entgegen. Obwohl auch Mittelschulabsolventen die Möglichkeit haben, im Anschluss eine maturaführende Schule zu besuchen, machen das nur 41 Prozent. Die Zahlen zeigen, die Trennung der Schüler und Schülerinnen bereits nach der vierten Klasse Volksschule führt zu einer Ungleichheit, die auch gravierende Auswirkungen auf das spätere Leben hat. Laut Statistik Austria ist jede zehnte Person, die höchstens einen Pflichtschulabschluss hat, von Armut betroffen.
Ein gerechteres Schulsystem sehen manche in der Gemeinsamen Schule für 10 bis 14-Jährige. Die Idee: Kinder werden nicht bereits nach vier Jahren Volksschule in Gymnasium und Mittelschule aufgeteilt, sondern bis zur achten Schulstufe gemeinsam unterrichtet. Die Vorarlberger Landesregierung hat sich im Jahr 2015 zur Einführung der Gemeinsamen Schule bekannt. Ihre Entscheidung stützte sie auf ein zuvor durchgeführtes Forschungsprojekt, an dem 30 Experten beteiligt waren. Und heute, zehn Jahre später?
Mehrere Anläufe der Umsetzung sind gescheitert. Gegner und Befürworter liefern sich nach wie vor einen Schlagabtausch und auch auf politischer Ebene wird der Ball hin- und hergeschoben. Im aktuellen Arbeitsprogramm der Landesregierung heißt es, Schulen, die schulartenübergreifend zusammenarbeiten wollen, würden unterstützt. Mehr aber auch nicht. Ein starkes Bekenntnis sieht anders aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Vorarlberg eine Gemeinsame Schule gestartet wird, geht gegen Null, zumal auch der österreichische Bildungsminister Christoph Wiederkehr nun mit einer neuen Idee aufhorchen lässt. Er will sich für eine verlängerte Volksschule – von vier auf sechs Jahre – stark machen. Ein neues Feld für jahrelange Streitigkeiten?
Das Ziel, allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen die bestmögliche Bildung, und damit optimale Zukunftschancen zu bieten, scheint weiter entfernt denn je. Schüler und Lehrer verabschieden sich morgen in die Ferien, die Probleme bleiben. Dass es solche gibt, steht außer Zweifel.