
Silvia Böhler
Vollspaltenboden – mehr Scheinheiligkeit geht nicht
In Vorarlberg werden im Vergleich zu den anderen Bundesländern wenig Schweine gezüchtet. Wer im Laden also billiges Schweinefleisch kauft, kann davon ausgehen, dass das Tier kein schönes Leben hatte. Denn so wie die Schweinehaltung gerne in Prospekten oder im Fernsehen gezeigt wird - auf einem Strohbett oder gar im Freien – entspricht nicht der Realität.
Oft stehen die Tiere eingepfercht in Ställen auf sogenannten Vollspaltenböden aus Beton. Kot und Urin fallen beziehungsweise rinnen durch die Spalten in den darunterliegenden Güllekanal. Die Landwirte müssen damit den Stall seltener reinigen, haben weniger Arbeit und können Schweinefleisch billiger produzieren. Die Tiere allerdings leben Tag für Tag über ihren eigenen Fäkalien. Negative Auswirkungen auf deren Gesundheit und Wohlbefinden wurden in zahlreichen Studien wissenschaftlich belegt. Ein Aus der Vollspaltenböden ist deshalb längst überfällig.
Im Juli 2022 gaben die damaligen Minister Johannes Rauch (Die Grünen) und Norbert Totschnig (ÖVP) genau dieses Aus bekannt. Beide sprachen von einem „Erfolg für den Tierschutz” und einer „echten Wende in der Schweinehaltung”. Eine Übergangsfrist von damals 18 Jahren für bestehende Ställe wurde vom Verfassungsgerichtshof allerdings als zu lang erklärt, weshalb die Regierung nachbessern musste. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass nun ein Ende bis zum 1. Juni 2034 vorgesehen ist. Ein Ende, das in Wahrheit gar keines ist.
Nicht nur ich stelle mir unter einem solchen Verbot logischerweise vor, dass Schweine eben nicht mehr auf Betonböden mit Spalten stehen dürfen. Vertreter aus Politik und Landwirtschaft definieren „Verbot“ allerdings völlig anders: Es reicht demnach aus, wenn ein Drittel der Stallfläche weniger Spalten aufweist, die restlichen zwei Drittel dürfen weiterhin unverändert bleiben. Was uns da als „Ende der Vollspaltenböden“ verkauft wird, ist in Wahrheit der Umbau des bisherigen „unstrukturierten“ Vollspaltenbodens hin zu einem „strukturierten“ Vollspaltenboden. Scheinheiliger geht es nicht mehr.
Diese Gesetzesänderung bringt für die Schweine absolut keinen Vorteil und stellt genau dieselbe Tierquälerei dar wie bisher. Die Tiere stehen nach wie vor über ihrer Gülle auf harten Betonböden mit all ihren katastrophalen Konsequenzen – Lungen- und Gelenksentzündungen, Verletzungen aufgrund des Platzmangels und geringer Beschäftigungsmöglichkeiten. Einstreu mit Stroh ist kein Muss.
Während die Politik über die Fortschritte jubelt, so spricht SPÖ-Tierschutz- und Landwirtschaftssprecher Reinhold Einwallner davon, dass die Bundesregierung den Tierschutz voranbringt, bleibt vielen der Mund offenstehen. Einerseits weil das Leid der Tiere nicht beendet wird, andererseits weil die Konsumenten wie so oft hinters Licht geführt werden.