
Silvia Böhler
Abenteuer Bundesheer
Wenn ich früher Bekannte nach ihrem Wehrdienst gefragt habe, bekam ich oft ablehnende Worte zu hören, beispielsweise eine „verlorene Zeit“ oder „Befehle befolgen und das Hirn ausschalten“. Das sind natürlich Einzelmeinungen - das Bundesheer selbst stellt sich ganz anders dar. Auf der Suche nach Personal versprechen aufwändig produzierte Social Media-Beiträge einen modernen Arbeitgeber und ein Erlebnis. Der Grundwehrdienst wird auf der Homepage mit Kameradschaft, Abenteuer und jeder Menge Abwechslung beworben. Anlässlich des Nationalfeiertages präsentierte das Heer zudem seine Hubschrauber und Panzer und lud zum „Actiontag“. Kinder und Jugendliche konnten einen Parcours bewältigen und ihre Treffsicherheit unter Beweis stellen. Dass das Bundesheer aber wenig mit einem Actiontag oder einem Abenteuer gemein hat, zeigt der Tod eines 21-jährigen Grundwehrdieners in der Türk-Kaserne nur einige Tage zuvor.
Der mutmaßliche Schütze, ebenfalls ein Grundwehrdiener, ist erst im Mai eingerückt und absolviert eine Ausbildung zum Wachsoldaten. Dass in diesem Bereich scharfe Munition verwendet werden muss, steht für Militärexperten außer Frage, schließlich gelte es, die Kaserne vor Eindringlingen zu schützen. Doch sind Grundwehrdiener, die erst vor wenigen Monaten ihren Dienst begonnen haben, überhaupt in der Lage, Waffen mit scharfer Munition zu bedienen? Werden die jungen Menschen dafür ausreichend vorbereitet und der Instruktion genügend Zeit gewidmet? Der tödliche Schuss aus der Pistole des Wachsoldaten dürfte sich nicht zufällig gelöst haben, sagen Experten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Schuss von selbst löst, sei sehr gering. Hat der Grundwehrdiener also vorsätzlich gehandelt oder einfach nur fahrlässig mit der Waffe herumgespielt?
Der Vorfall in der Türk-Kaserne ist nicht der erste. Immer wieder ist zu hören, dass sich ein „Schuss löst“ und deshalb jemand angeschossen oder erschossen wird - und immer wieder weisen die Militärexperten darauf hin, dass die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten wurden. Doch damit machen sich die Verantwortlichen es zu einfach. Jugendliche, die heute mehr denn je von Actionfilmen und -spielen geprägt sind, finden Waffen wieder cool. Doch sind sie auch reif genug für den Dienst mit einer scharfen Waffe? Erschreckend dazu auch Beiträge auf Social Media. Ein ehemaliger Grundwehrdiener schreibt: „Als wir die Waffen bekommen haben, war das allererste, was 80 Prozent der Rekruten gemacht haben, das Sturmgewehr in den Anschlag zu nehmen und auf einen anderen Kameraden zu zielen, so als ob es eine Spielzeugwaffe wäre.“ Ein anderer schreibt: „So fahrlässig wie die Rekruten mit ihren Sturmgewehren umgehen, ist es ein Wunder, dass nicht mehr passiert.“
Höchste Zeit, dass das Bundesheer hier aktiv wird und auch die „vielversprechende“ Werbestrategie hinterfragt. Die Arbeit beim Heer und der Dienst an der Waffe verdienen Respekt, haben aber nichts mit einem Abenteuer zu tun. Schließlich geht es immer noch ums Kämpfen und Töten.