
Silvia Böhler
Einsame Menschen sind nicht allein
Vor ein paar Jahren war alles noch gut: Sie sind verheiratet, haben Familie, leben einen turbulenten Alltag. Doch dann sind die Kinder erwachsen, wohnen vielleicht weiter weg, der Partner stirbt und plötzlich ist Frau oder Mann allein. So oder ähnlich geht es vielen Menschen, der demografische Wandel trägt dazu bei. Laut Statistik Austria lebten 2024 in Österreich mehr als 500.000 über 64-Jährige allein. Tendenz steigend. Manchmal haben sie mehrere Tage oder sogar Wochen keine sozialen Kontakte und manchmal schleicht sich auch das Gefühl ein, nicht mehr gebraucht zu werden, einsam zu sein.
Die Einsamkeit kennen aber nicht nur ältere Menschen. Alleinerziehende oder Arbeitslose, die wenig Geld zur Verfügung haben, können sich ebenso vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen fühlen wie junge Menschen, die trotz sozialer Netzwerke keine echten Freundschaften finden. Seit der Corona-Pandemie haben wir wohl alle eine Ahnung davon, was es bedeutet, allein zu sein. Seither ist die Einsamkeit noch stärker ins Bewusstsein gerückt, darüber geredet wird aber nicht gerne.
Einige Organisationen haben erkannt, dass die Einsamkeit einerseits Jung und Alt betrifft, andererseits stetig zunimmt und ein ernstzunehmendes Leiden ist. Neben sinnvollen Maßnahmen gegen das Alleinsein wie Jugendtreffs, Vereine, Aktivitäten des Seniorenbundes, wurden weitere Möglichkeiten geschaffen, die Menschen unkompliziert zusammenzubringen. In manchen Gemeinden gibt es das „Kum hock her – Bänkle“ und unter dem Titel „Ghoscht mit“ lädt die Caritas zu Singlewanderungen und Spaziergängen gegen die Einsamkeit ein. In Zeiten des Pflegenotstandes wurde vor einigen Jahren zudem das Projekt „Community Nurses“ ins Leben gerufen. Die Gemeindekrankenschwestern versuchen den Menschen so lange wie möglich zu Hause zu helfen und setzen dabei vor allem auf die Gesundheitsvorsorge, die auch Maßnahmen gegen die Einsamkeit beinhaltet. „Wir versuchen selbst Angebote für die Menschen zu schaffen oder weisen auf verschiedene Möglichkeiten wie Essen auf Rädern, Mittagstische, Fit im Köpfchen oder ähnliches hin“, sagt eine Mitarbeiterin aus Bludenz.
Das ist gut so, Kontakte sind wichtig und diese ausgestreckte Hand kann jeder in Anspruch nehmen. Einsamkeit ist aber auch ein Problem, gegen das wir alle etwas tun können, indem wir beim Nachbarn vorbeischauen, Verwandte besuchen oder Freunde anrufen, die wir lange nicht mehr gesehen haben. Und je mehr wir darüber sprechen und aktiv werden, desto mehr trauen sich auch die Betroffenen. Niemand sollte mit der Einsamkeit allein sein.