„Warte immer auf den Anzeiger“
Einer der treuesten Leser des Anzeigers: Wilfried Lutz feierte seinen 96. Geburtstag
Fotos: ICE
Anfang Mai durfte ich Wilfried Lutz in Levis besuchen – ein langjähriger Weggefährte und einer der treuesten Leser des Feldkircher Anzeigers. Seit Jahrzehnten verbindet uns eine persönliche Bekanntschaft, und über ebenso viele Jahre hinweg pflegte Wilfried Lutz einen engen Kontakt zur Redaktion.
Von Isabelle Cerha
Bis in die 2010er Jahre kam er wöchentlich in die Rosengasse, wo sich damals die Redaktion des Anzeigers befand. Dort brachte er persönliches Wissen vorbei (und meist Schokolade) oder holte sich selbst „etwas Interessantes“ für die Gassen der Altstadt mit – wie er es nannte. Heute ist ihm der Fußweg generell aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Doch das nimmt er mit bewundernswerter Gelassenheit hin.
„Ich habe viele Gipfel bestiegen, meine Füße haben mich weit getragen. Jetzt sind sie müder als mein Verstand – und das muss ich akzeptieren. Das tue ich auch“, sagt Wilfried Lutz mit einem Lächeln. In jeder seiner Antworten schwingt Dankbarkeit mit, niemals Groll.
Am 1. Mai feierte Herr Lutz seinen 96. Geburtstag. Geboren wurde er 1929 in Nenzing als jüngstes von fünf Kindern. Nach der Volksschule besuchte er das Gymnasium in Feldkirch und absolvierte die HTL für Hochbau in Innsbruck. Seine berufliche Laufbahn führte ihn über die Straßenplanung des Landes zur Stadt Feldkirch, wo er viele Jahre als Bausachverständiger tätig war. Mehr als 1.000 Gutachten erstellte er im Auftrag der Arbeiterkammer – ohne je eine Beschwerde.
„Ein Ja war ein Ja, ein Nein war ein Nein“, erinnert er sich. Handschlagqualität war für ihn oberstes Prinzip – politische Interessen, persönliche Einflussnahme oder wirtschaftlicher Druck spielten dabei keine Rolle. „Diese Werte vermisse ich heute ein wenig“, meint er nachdenklich, „doch mein Vertrauen in die Menschen habe ich nie verloren.“
Seinen Alltag meistert Wilfried Lutz heute mit der Unterstützung zweier liebevoller 24-Stunden-Betreuerinnen. „Ich habe hier alles, was ich brauche. Und wenn ich Hilfe benötige, bekomme ich sie – zu 100 Prozent, von meinen Betreuerinnen und von meiner Familie.“
Trotz der schweren Schicksalsschläge in seinem Leben – dem Krieg, dem Verlust eines Kindes und seiner Ehefrau – sprüht Herr Lutz vor Lebensfreude. Während das Mittagessen von seiner „Fee“ zubereitet wird, stimmt er mit voller Inbrunst das „Vogellied“ aus der Operette Der Sohn des Mikado an – ein Lied, das auch seine verstorbene Frau Erna stets gerne hörte.
Die Liebe zu Erna begann an einem Faschingsdienstag beim Tanzen im Gasthaus Rose, dort steht heute das AMS in Levis. „Ich habe sie gesehen – sie war für mich die schönste Frau. Ich wollte sie – und ich habe sie bekommen“, erzählt er mit leuchtenden Augen.
Seine Geschwister sind bereits alle verstorben. Auch dem eigenen Lebensende blickt Wilfried Lutz mit realistischer Gelassenheit entgegen: „Solange der Herrgott will, dass ich morgens aufwache, werde ich jeden Tag in Dankbarkeit genießen.“
Seit er in Feldkirch lebt – und solange er sich erinnern kann – liest Wilfried Lutz den Feldkircher Anzeiger. Woche für Woche wartet er auf die neue Ausgabe. Dass unser Anzeiger ihn über so viele Jahre begleitet, erfüllt auch uns mit Stolz und Dankbarkeit.
Lieber Herr Lutz, alles Gute nachträglich zum 96. Geburtstag! Wir danken Ihnen für Ihre Treue.
Ihr Feldkircher Anzeige
„Solange der Herrgott will, dass ich morgens aufwache, werde ich jeden Tag in Dankbarkeit genießen.“
Wilfried Lutz,
96 Jahre