
Silvia Böhler
Landesgrünzone auf der Kippe?
Bereits im Vorfeld zur Bildung der neuen Landesregierung im vergangenen Jahr haben Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung ihre Wünsche zur Landesgrünzone kundgetan. Sie soll in eine sogenannte Entwicklungszone umgewandelt werden, in der sich Betriebe – je nach Bedarf – weiterentwickeln können. „Die Wirtschaftskammer Vorarlberg bekennt sich zur Landesgrünzone beziehungsweise zur Bedeutung und Wichtigkeit der von ihr verfolgten Ziele“, heißt es auf deren Homepage. Die Landesgrünzone sei aber schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung auch zur Verwendung für größere Industrieanlagen oder sonstige größere Anlagen vorgesehen gewesen. Um den künftigen Bedürfnissen gerecht zu werden regt die Kammer deshalb eine Neuausrichtung an.
Die Verordnung zur Landesgrünzone stammt aus dem Jahr 1977. Ziel war es, eine leistungsfähige Landwirtschaft zu sichern und Naherholungsgebiete, das Landschaftsbild sowie einen funktionsfähigen Naturhaushalt zu erhalten. Dass dem nicht immer entsprochen wurde zeigt das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom September 2022 zur Vergabe von Sonderwidmungen in der Landesgrünzone. Eine Praxis, die in den vergangenen Jahren landauf, landab gerne angewandt wurde. Laut Berichten gibt es etwa 3.000 Sonderwidmungen im Land – manche wurden für Sportplätze, manche für Kindergärten, manche für Betriebserweiterungen vergeben. Allen gemein ist: Mit der Sonderwidmung mussten die Grundstücke nicht aus der Grünzone entnommen werden – die Größe der Grünzone blieb also offiziell unberührt, obwohl darauf gebaut wurde.
Mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes müssen die Gemeinden die Widmungen nun korrigieren. Damit dies möglich ist, will die Landesregierung die bereits bebauten Flächen einfach aus der Landesgrünzone entnehmen, die Gemeinden können sie dann als Baufläche widmen, so wie es das Gericht fordert. Dass dafür keine Kompensation – sprich Ersatzflächen für die Grünzone – geliefert werden müssen, stößt nicht nur bei der Umweltbehörde für Unverständnis, sondern auch bei vielen Umweltverbänden für Empörung. „Diese Vorgangsweise lehnen wir entschieden ab“, so etwa die Allianz für Bodenschutz.
Immer wieder betont die heimische Politik wie wichtig der Erhalt der Natur ist. Erst vergangene Woche zum Welttag der Feuchtgebiete am 2. Februar hob Landesrat Christian Gantner hervor, wie wichtig diese Lebensräume sind und, dass der Erhalt und die Pflege eine gemeinsame Verantwortung darstelle. Wirklich? Nicht selten stehen Maßnahmen der Landesregierung konträr zu deren Bekundungen, wie die Sonderwidmungen zeigen. Natürlich müssen Betriebserweiterungen ermöglicht werden, aber die Prämisse des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden darf nicht nur als Satz in einem Arbeitsprogramm stehen. Politik, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sollten auch danach handeln - denn die Natur kann nicht nachproduziert werden.