
Isabelle Cerha
Zeit für Feldkirch
Zwischen Arbeit und Familie bleibt oft wenig Raum, um die eigene Umgebung wirklich bewusst zu erleben. Das Schwerpunktthema Feldkirch im Fokus hat mir das ermöglicht. Denn es sind die Menschen, die einer Stadt Leben einhauchen: mit ihren Geschichten, ihrem Tun, ihren Visionen – und dem, was sie hinterlassen. Das Jubiläumsjahr Feldkirch 100 bietet die Chance, mehr zu erfahren – über das, was war, was ist und was noch kommen mag. Ich durfte viele persönliche Geschichten hören: geprägt von Krieg, Verlust und Leid, aber auch von Überlebenswillen, Hoffnung und der Kraft des Guten.
Unser Gedächtnis bewahrt das Schöne oft klarer als das Schwere. Was belastet hat, tritt mit der Zeit zurück – nicht, weil es unwichtig wäre,
sondern weil es uns das Weitergehen erleichtert. Vielleicht ist das die stille Weisheit der Erinnerung.
Besonders beeindruckt mich die Altersmilde der Kriegsgeneration. Mit ihren eigenen Kindern konnten sie oft nicht über das Erlebte sprechen – die Wunden waren zu frisch, die Worte zu schwer. Uns, der Enkelgeneration, öffnen sie sich eher – vorausgesetzt, wir sind bereit zuzuhören. Vielleicht ist genug Zeit vergangen, vielleicht tut es einfach gut, endlich erzählen zu dürfen.
Würde man das Leben rückwärts leben, stünden Dankbarkeit und Toleranz wohl am Anfang – nicht am Ende. Dieser Gedanke klingt aus vielen Gesprächen nach.
Ich bin dankbar, mit so vielen Feldkircherinnen und Feldkirchern sprechen zu dürfen und oft mit mehr Dankbarkeit nach Hause zu gehen, als ich auf dem Weg ins Gespräch dabei hatte.